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Der aus Rochlitz stammende und damals in Dresden lebende Dr.-Ing. Walther Fischer publizierte 1935 in den Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz in Dresden eine bis zum heutigen Tag sehr wichtige historische und kulturhistorische Würdigung seiner Vaterstadt.

Über 65 Jahre sind seit Erscheinen dieses umfangreichen Aufsatzes vergangen.  Bis heute haben viele der Ausführungen, Erkenntnisse und Gedanken von Dr.-Ing. Fischer ihre Gültigkeit nicht verloren ...  und manche wurden inzwischen durch weitergeführte Forschungen korrigiert oder verändert.  Verändert haben sich ebenso die baulichen Zustände vieler von Walter Fischer damals vorgestellter Bauten und Denkmale.

Der Geschichtsverein Rochlitz publiziert nachfolgend den originalen Text von Dr.-Ing. Walther Fischer und die den Text begleitenden fotografischen Illustrationen.  In weiterer Fortsetzung - und ständiger Ergänzung dieser Webseiten - werden punktuell und in Form aktualisierender Kommentare und Darstellungen die Darlegungen von Dr.-Ing. Fischer bis in die Gegenwart fortgeführt.

Wir danken dem mit unserem Geschichtsverein freundschaftlich verbundenen Publizisten Ulrich Koch aus Berlin für die Gestaltung dieser Webseiten.

 

Band XXIV Heft 1 - 4 1935

Landesverein Sächsischer Heimatschutz
Dresden

Die Mitteilungen des Vereins werden in Bänden zu 12 Nummern herausgegeben

Abgeschlossen am 28. Februar 1935


(Im folgenden: Seiten 1 - 42, Band XXIV Heft 1 - 4 1935,
Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz)

Schloß und Stadt Rochlitz in Sachsen

Von Dr.-Ing. Walther Fischer, Dresden

Mit Aufnahmen des Heimatschutzes

(angefertigt vom damaligen Rochlitzer Photographen Schilling)

Es berührt mich als Sohn der Muldenstadt Rochlitz immer wieder eigenartig, daß das Muldental zwischen Glauchau und Colditz nicht einmal in unserem Sachsenlande so gekannt wird, wie man es nach der kunst- und kulturhistorischen Bedeutung dieses Gebietes erwarten sollte. Allenfalls daß der Leipziger seinen traditionellen Pfingstausflug nach dem Rochlitzer Berg unternimmt - auf den wandernden Heimatfreund wartet das sächsische Burgenland, wie man es mit gutem Rechte genannt, noch immer. Wenn auch ein Teil Schuld sicherlich den gegenüber der Vorkriegszeit verschlechterten Verkehrsverhältnissen zuzuschreiben ist, so fehlt es bestimmt auch an der nötigen Kenntnis dessen im Lande, was der Wanderer und Heimatfreund dort findet. Wenn ich verrate, daß ein landschaftlich ungemein reizvolles Tal noch keine durchgehende Autostraße besitzt, daß jeder Ort zwar leicht durch die Bahn oder Autoverbindungen erreichbar ist, aber sonst in geradezu idyllischer Beschaulichkeit dahinlebt und manche wertvolle Erinnerung an vergangene Tage bewahrt hat, und daß man überall Gaststätten findet, in denen man gut aufgehoben ist, dann verspürt vielleicht mancher Freund des Heimatschutzes Lust, auch einmal diesen wenig bekannten Landesteil aufzusuchen. Ich kann hier keine Reiseanweisung geben; ich kann nur dringend raten, nicht darauf zu achten, ob diese oder jene Stätte im Reiseführer besternt ist. Mag sich dieses Verfahren anderswo empfehlen, im Muldental ist es bestimmt verfehlt, so lange es noch Reiseführer gibt, die nicht einmal ein Baudenkmal wie die Wechselburger Schloßkapelle des Hervorhebens für würdig halten. Dabei handelt es sich hier um Kunstwerke, in denen neben Freibergs Goldener Pforte die sächsische Schule in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts ihr Höchstes entfaltet, „die zwar nicht denen der Antike gleichen, wohl aber von dem gleichen Geiste umgeben sind“. (Steche.) Und ebensowenig Beachtung hat man in den Führern meist der Rochlitzer Kunigundenkirche geschenkt, von der Steche im Inventarisationswerk ausdrücklich bemerkt: „Der Werth des Werkes verpflichtet dringend, für dessen Bewahrung zu sorgen, so lange es überhaupt noch möglich ist“.  Daß Steche in dieser Kirche das einzige größte einheitliche kirchliche Bauwerk Arnolds von Westfalen erblickte, „bei dessen Herstellung dem Meister bildhauerische Kräfte zur Seite standen, von welchen bei der Albrechtsburg und beim Domturmbau zu Meißen keine Spur mehr vorhanden ist“, vermag die künstlerische Bedeutung dieses Baudenkmals am besten zu charakterisieren, wenn auch die Urheberschaft Arnolds von Westfalen sich nicht bestätigen läßt. Auch für das Fürstenhaus und die Kapelle des Rochlitzer Schlosses sowie für die Petrikirche haben einige Forscher aus stilkritischen Erwägungen heraus Arnolds Mitwirkung angenommen, Grund genug, auch diesen Bauten ein größeres Interesse entgegenzubringen als das bisher der Fall gewesen ist!  Daß ein Meister wie Eugen Bracht vor dem Kriege oft und gern mit seinen Schülern in der Muldenstadt wellte - sein „Schloß Rochlitz“ gehört mit zu seinen bedeutendsten Schöpfungen -, spricht wohl am deutlichsten für die mannigfachen malerischen Reize, die den Besucher dort erwarten.

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Warum ich mit so wirkungsvollen Namen für das Muldenstädtchen werbe, als ob ich an dieser Stelle in Wettbewerb mit der so oft marktschreierischen Reklame mancher Verkehrsverbände treten wollte? Nun, lieber Heimatfreund, nur, weil ernstlich zu befürchten ist, daß man auch im sächsischen Burgenland versucht, die falschen Wege zur Hebung des Verkehrs einzuschlagen, die wir anderweit als so verhängnisvoll für den Heimatschutzgedanken haben erkennen müssen: Man glaubt, einzig und allein die fehlende Autototalstraße werde den ersehnten, bei dem Darniederliegen der Industriebetriebe doppelt notwendigen Fremdenstrom bringen - man setzt alles daran, diese Straße zu bekommen, die sicherlich den Autodurchgangsverkehr durch das Tal leitet, freilich ohne den Orten die erwünschte Einnahmequelle zu verschaffen: Ist aber erst einmal das malerische Muldental durch einen (übrigens im Interesse des Wirtschafts- und Überlandverkehrs völlig überflüssigen) Straßenbau beeinträchtigt, dann hilft uns alles Jammern nichts mehr. Wir wissen doch alle nur zu gut, wie wenig gerade der Ortsansässige das an seiner Heimat zu bewerten vermag, was den ernsten Menschen am tiefsten fesselt und veranlaßt, immer wieder Erholung und Erhebung an den Schönheiten, die Natur und künstlerisches Menschenwerk uns bieten, zu suchen. Oder würden uns die „rührigen“ Kräfte sonst überall im Lande, wo der Großstädter Erfrischung an der unberührten Natur sucht, kümmerliche Abklatsche eines Großstadtrummels vorzusetzen wagen! Und mit welchem Unverstand werden noch heute im Lande von kurzsichtigen Spießern Kultur- und Naturdenkmale vernichtet, die sich anderweit als melkende Kuh des Fremdenverkehrs erwiesen haben! Wohl weil wir Sachsen so gern in der Welt umherziehen, bringen wir oft zu wenig Verständnis für die Schätze unseres engeren Vaterlandes auf und lassen die Zähigkeit vermissen, mit der etwa die Bürger von Rothenburg oder Dinkelsbühl die Schönheit ihrer Städte erhielten, obwohl man dafür in früheren, angeblich „aufgeklärten“ Zeiten nur Spott übrig hatte. Man möchte aus dem kleinsten Landstädtchen um jeden Preis eine Großstadtimitation machen, um dann enttäuscht festzustellen, daß der Fremdenverkehr solche Surrogate nicht mag und sich dorthin wendet, wo ihm unverfälschte, wohlbewahrte Kultur und Natur geboten wird. Wir vom Heimatschutz können im Sinne unserer Bewegung nur wirken, wenn wir selbst die am meisten gefährdeten Gegenden unseres Landes aufsuchen und die Bevölkerung dort immer wieder darüber aufklären, warum wir kommen, was wir suchen - geben wir durch unseren Besuch der Bevölkerung einen wirtschaftlichen Rückhalt, dann werden wir sie auch leichter dafür gewinnen, sich der wirklichen Werte ihres Städtchens oder Dörfchens bewußt zu werben und sich für deren Erhaltung einzusetzen. Solange die tatkräftige Mitwirkung weiter Kreise unserer Bewegung fehlt, kämpfen die Heimatfreunde in den bedrohten Gebieten einen aussichtslosen Kampf. Da wir im Muldental noch vieles Gute zu erhalten haben, aber nur durch unser Erscheinen dort aktiven Heimatschutz betreiben können, habe ich diese allgemeinen Bemerkungen vorausgeschickt. Nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Muldental kann ich geben, der im Verein mit den Ausführungen W. Bachmanns über die Rochsburg, die vor einiger Zeit in diesen Mitteilungen erschienen sind, zeigen soll, was das Burgenland an Schönheiten birgt.

 

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