Grüße aus der Vergangenheit unserer Stadt                 

Wissen Sie, wie viele Rochlitzer Ansichtkarten während der letzten einhundert Jahre hergestellt bzw. beschrieben, frankiert und versandt wurden? Man kann es nicht ergründen. Heutige belegbare Sammlungsbestände in Rochlitz beinhalten Größen zwischen 20 und etwa über 800 Einzelstücken. Noch weniger Vorstellung hat man davon, wie viele dieser Karten während der Zeitepoche von etwa 100 Jahren unsere Stadt in alle Himmelsrichtungen verlassen haben. Eigentlich ist es auch nicht entscheidend, wohin und in welcher Menge während der vergangenen Jahrzehnte Rochlitzer Ansichtskarten verschickt wurden, sondern viel mehr, dass man durch einige erhaltene Exemplare dieser Grußkarten der Vergangenheit in vielfältiger Weise die damalige Zeit und den stetigen Wandel nachvollziehen kann.

Sehr interessant ist es, eine historische Ansicht vor Augen zu haben. Das abgebildete Motiv gibt Auskunft über die Vergangenheit des Ortes oder der Landschaft. Man kann erkennen oder erahnen, wann es angefertigt wurde und stellt immer fest, dass sich das heutige Abbild auf der historischen Abbildung zwar in Grundzügen noch erkennen lässt, jedoch typische Details eines Städtchens, wie es Rochlitz ist, mit der Zeit verschwunden sind. Eine Ansichtskarte ist also ein stummer, und dennoch gesprächiger Zeitzeuge - wenn man versteht, was uns die Kartenabbildung aussagen kann. Interessant neben den verschiedenen Ansichten - etwa vom Rochlitzer Berg, dem Schloss oder dem Stadtgebiet mit Rathaus und Plätzen, auch den Kirchen und der Muldebrücke, um nur einige solcher Motive detailliert anzusprechen - sind oft die in wunderbar geschwungener alterdeutscher Schreibschrift verfassten Grüße und Informationen auf den Karten. Man bekommt dadurch etwas Zeitkolorit vermittelt, versteht die Sorgen der Eltern, die von ihrem Sohn auf einer Karte des Bergrestaurants erfahren, dass er zum Militärdienst an die Front eingezogen wurde, oder man wird neugierig auf die Liebschaft eines Pärchens, die miteinander mit Rochlitzer Ansichtskarten korrespondierten. Interessant hören sich auch die Grüße an, denen zufolge jemand an einem Wochenende mit Kaffee und Kuchen auf gute Bekannte gewartet hatte. Die Texte geben vielfach und in allen denkbaren Formen der Anrede und Ausdrucksweise Auskünfte zu Rochlitzer Zeitepochen und zur jeweiligen wirtschaftlichen Situation. Sie verraten Ortsgeschichte und manches Persönliche, das man fast voyeuristisch nachvollziehen kann.

Ansichtskarten sind deshalb zu sehr begehrten Sammelgegenständen geworden. Sie spiegeln in ganz spezifischer Weise die Zeit wider, in der sie entstanden sind, gekauft, beschrieben und versandt wurden. Als Motive boten sich in erster Linie Städte- und Landschaftsbilder an. Weitere Abbildungsthemen waren: historische und patriotische Darstellungen, Trachten, Kunst, Blumen, Scherzbilder und Technik, um nur einiges zu nennen. Seit Jahrzehnten werden diese Karten gesammelt und jeder Liebhaber schätzt an diesen Objekten andere und jeweils individuelle Eigenschaften. Sind es für den einen Grüße aus der Vergangenheit, die der längst verstorbene Verfasser des Textes schrieb, erscheinen dem nächsten die bildhaften Darstellungen und die damit verbundenen Aufschlüsse zu Veränderungen im Städtebild viel wertvoller.

Den Wert, um damit bei dieser Eigenschaft zu bleiben, kann heute jeder beliebig erhandeln, je nachdem, wie erfolgreich er ist. Auf dem Markt wird von einschlägigen Auktionshäusern eine Unmenge an Material zu verschiedenen Sammelgebieten angeboten.

Die Preise bewegten sich ab 1990 von etwa 1, - DM bis 80, - DM, seltene Objekte dagegen lagen schon immer darüber. Vor dem politischen Umschwung in der DDR musste für gut erhaltene Karten eine Summe um die 5, - M bis 30, - M gezahlt werden. Und in heutigen Eurozeiten wird, wie sollte es anders sein, ein wesentlich über dem ehemaligen DM-Preis liegender Betrag verlangt. Allerdings bestimmte zu jeder Zeit die Qualität, also der Erhaltungszustand und die Vollständigkeit, die aufgeschlagenen Stempel und oft die Briefmarken, sowie nicht unwesentlich die Angaben zum Absender und Empfänger, den verhandelbaren Wert dieser Sammlerstücke. Bei Sammlern werden die Farblithographien bevorzugt, die um 1900 mit dem Aufdruck "Gruß aus..." hergestellt wurden. Überaus begehrt sind auch die sogenannten "Jubiläumskarten", deren Auflage meistens sehr hoch war.

1865 kam der preußische Generalpostmeister Heinrich von Stephan auf den Gedanken, ein so genanntes "Postblatt" zu benutzen. Doch der Versuch schlug fehl. Damals war man der Meinung, dass für jeden Postzusteller und ebenso jedes Dienstmädchen eines Empfängers, auf offenen Karten lesbare Nachrichten der "Unsittlichkeit und anderen unmoralische Vorstellungen Tür und Tor" öffneten. Die Auffassung "Eine unanständige Form der Mitteilung" war auch im damaligen Deutschen Reichspostamt verbreitet. 1869 schickte der österreichische Dr. E. Hermann die erste Postkarte der Welt auf die Reise. Im Sommer 1870 wurde dann Heinrich von Stephans "Postkarte" im deutschen Postverkehr zugelassen.

Bis 1870 beschäftigten sich noch einige Herren mit der Einführung der Postkarte. Als Erfinder der Bildpostkarte gilt ein Herr Schwartz aus Oldenburg. Er bedruckte seine "Korrespondenz-Karte" mit einem Bild auf der Anschriftseite. Ebenso durfte anfangs die Anschriftseite nicht mit persönlichen Mitteilungen beschrieben werden. Dafür blieb auf der Bildseite Raum.

Seit 1905 gibt es die heute bekannte Bildpostkarte mit zweigeteilter Vorderseite. Das Bild nimmt die gesamte Rückseite ein und das linke Drittel der Anschriftseite ist für Mitteilungen an den Empfänger frei. Viele Verleger, Buchdrucker und Fotografen haben sich seit der Erfindung der Ansichtskarte damit beschäftigt. So auch der Berliner Hofphotograph F. Albert Schwartz, der von ihm aufgenommenen Stadtlandschaften der Reichshauptstadt im eigenen Bildverlag herausgab und als Postkarten verkaufte. Schwartz finanzierte damit Teile seiner bildjournalistischen Arbeit, die ihn dazu brachte, in den 50 Jahre seines Berufslebens als Photograph im wahrscheinlich ersten Langzeitdokumentationsprojekt der Welt, alle wichtigen Veränderungen Berlins auf zehntausenden Photoplatten festzuhalten, hinzu kamen Aufnahmereisen in über 100 Städte des damaligen Kaiserreiches.

Für Rochlitz lässt sich als erster ein gewisser Bernhard Pretzsch ermitteln, der seine eigenen Ansichtskarten herstellte. Er betrieb um diese Zeit am Markt im Haus Nummer 180 eine Buchhandlung (Ecke Burgstraße, vormals Buch und Kunst). Um 1900 stellte Carl Frühauf in der Rochlitzer Rathausstraße zahlreiche farbige Ansichtskarten her. Über Jahrzehnte gab es vom Verlag Frühauf verschiedene Rochlitzer Motive. Auf alten Ansichtskarten liest man auch die Namen anderer Verleger, die für Ur-Rochlitzer noch ein Begriff sind. Martin Buckentin (Kaufmann), Max Leichsenring (Buchhändler), Arthur Reimann (Buchbinder), Rudolf Müller (Photograph), Richard Dix (Barbier und Friseur), Carl Gustav Quell (Buchbinder) oder Karl Wilhelm Schilling (Photograph) - Titel und Namen sind historischen Rochlitzer Adressbüchern entnommen.

Den größten Anteil an Rochlitzer Stadtansichten haben die Verleger außerhalb der Region, zum Beispiel Brück und Sohn aus Meißen. Ebenso aus der Leipziger Gegend und von anderswo haben Verlage mit Bildansichtskarten eine Vielzahl von Motiven hergestellt. Auf den Sammelbelegen finden sich Firmen mit klingenden Namen wie Trinks & Co GmbH Leipzig, Mohr & Dutzauer in Leipzig, die Lithographische Anstalt Leipzig oder auch die Graphische Kunstanstalt Löffler & Co. in Greiz. Die Reihe von Firmen, die unser heutiges Sammelspektrum damals begründeten, könnte um viele weitere fortgesetzt werden. Zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik stellte vor allem der Verlag Bild und Heimat in Reichenbach/Vogtland, eine hohe Zahl an Ansichtskarten her.

Viele Großverlage verdienten schon an Rochlitzer Ansichtskarten Geld und machten damit früher den ortsansässigen Rochlitzer Verlagen ziemliche Konkurrenz. Dieser Konkurrenzkampf ist als ein Grund für die Erklärung anzusehen, weshalb es heute eine solch große Vielfalt von historischen Rochlitzer Ansichtskarten mit verschiedenen Motiven gibt. Während der vergangenen Jahre stellten sich wieder Kleinverlage sowie Fotografen aus der Stadt und Region ein, um neben größeren Verlagen in einer komplizierten wirtschaftlichen Lage den Ansichtskartenmarkt untereinander streitig zu machen. Alte Motive, neu fotografiert, neue Karten - so geht das Spiel um die Bildzeugen in eine weitere Runde.

Interessant sind dabei immer die gestalterischen Varianten. Frühe Ansichtskarten von vor 1890 geben noch keinen Hersteller oder Verlag an. So auch bei einer alten Karte vom Rochlitzer Berg. Sie lässt sich deshalb schlecht einordnen. Wichtig sind daher der Poststempel und die Datumsanzeige der Mitteilung. Einen sehr weiten Weg legte diese alte Karte allerdings nicht zurück. Adressiert ging sie in die Untere Gärtnerstraße in Rochlitz.

Auf anderen Karten lassen sich neben ausgeprägter Beschriftung, Nummern finden, die in der Archivverwaltung des Verlages sofort die Karte auffinden lassen würden, wäre der Verlag noch aktiv. Fast alle der großen Verlage von einst, gibt es nicht mehr. Die Rochlitzer Betriebe existierten zwar, jedoch auch nur solange ihre Inhaber lebten. Über den Verbleib von Rochlitzer Druckplatten für Ansichtskarten, wissen wir nichts konkretes. Uns bleiben die gesammelten historischen Bestände. Von ihnen werden in den vergangenen Jahren immer weniger echt spektakuläre Motive angeboten. Der Markt gibt wenig neue, original historische Karten zum Kauf. Eine besonders witzige Methode ist die Herstellung von Kopie-Karten nach historischen Motiven.

Ein letzter Gedanke dazu - bis zum Jahre 1906 gab es innerhalb des Deutschen Reichs keinen verbindlichen Urheberrechtsschutz - gemeint ist das Copyright des Fotografen - für fotografische Darstellungen. Fotografien galten bis dahin als nicht schützenswerte Verbrauchsware. Damit ergab sich für jeden Fotografen und Bildpostkartenverlag die Situation, dass er mit dem Verkauf von Ansichten auch sein Urheberrecht mit verkaufte. Damit war jeder Form von Plagiaten Tür und Tor geöffnet. Erst mit dem Urheberrechtschutzgesetz von 1906 veränderte sich dazu die rechtliche Situation...


Autoren: Hans-Jürgen Köttnitz; Ulrich Koch, Berlin; Sven Krause

 

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