Rochlitz - Die Schule an der Mulde

Um die Rochlitzer Volksschule war es in alten Zeiten nicht immer zum besten bestellt. Mit der Einführung der achtjährigen Schulpflicht in Sachsen im Jahre 1835 wurden strengere Forderungen erhoben. Die Stadt Rochlitz geriet im Hinblick auf den zur Verfügung stehenden Schulraum in Schwierigkeiten. Das nach dem großen Stadtbrand von 1804 wiedererrichtete Gebäude der Lateinschule (heute Stadt- und Kreisbücherei) genügte keinesfalls den Erfordernissen. Dunkle Räume, keine Pausenflächen und nur primitive Abortanlagen, führten häufig zu Beanstandungen der übergeordneten Schulbehörde. Auch die Anmietung eines Wohnhauses in der heutigen Schulgasse Nr. 23 als Mädchenschule konnte das Problem nicht lösen. Noch vierzig Jahre verstrichen, bis eine generelle Lösung des Problems durch einen Schulneubau erfolgen konnte.

Das gesamte Volksschulwesen der Stadt lief seit 1850 unter der Bezeichnung "Bürgerschule zu Rochlitz". Sie bestand aus zwei Elementarklassen, drei Knaben- und drei Mädchenklassen, d.h., es war eine vierklassige Schule. Obwohl in mehreren Gebäuden untergebracht, schuf man eine Direktorenstelle für alle Klassen. Nachmittagsprediger Otto Köhler wurde der erste Direktor der Rochlitzer Volksschule. Schon 1854 entstand eine "2. Bürgerschule", die in Wirklichkeit eine "Armenschule" war, denn in ihr wurden die Kinder ärmerer Bürger in zwei Klassen mit einer niedrigen Stundenzahl unterrichtet. Fortan bürgerte sich der Begriff der "1. und 2. Bürgerschule" ein.

Eigenartigerweise wurde für die 2. Bürgerschule bereits 1860 ein Schulgebäude gebaut. Es war ein bescheidenes Gebäude, welches heute noch in der oberern Gärtnerstraße steht und zuletzt als Kinderkrippe diente. Im Jahre 1872 faßte der Stadtrat unter Bürgermeister Körner den Beschluß, ein größeres Schulgebäude zu bauen, das alle Rochlitzer Schüler aufnehmen sollte.

Nachdem bei der Wahl des Standortes eine Fläche oberhalb der Bleiche dem ursprünglichen Gedanken, den Schulneubau an der heutigen Bismarckstraße zu errichten, vorgezogen wurde, betraute man den Leipziger Architekt Viehweger mit der Projektierung. Nach dem Muster der von ihm 1872 in Leisnig entworfenen Bürgerschule entstand im Oktober 1872 der Plan für das Rochlitzer Vorhaben. Die Baukosten wurden mit 72.316 Talern, 11 Groschen und 1 Pfennig veranschlagt. Als die Ausschreibung des Baues erfolgt war und die einzelnen Gewerke feststanden, begann im September 1874 die Aushebung des Baugrundes und am 18. Dezember gleichen Jahres erfolgte die Grundsteinlegung.

Um einen günstigen Zugang zur Baustelle zu schaffen, trug man an der südlichen Häuserfront des Topfmarktes ein Haus ab. So entstand der Schulberg. Die Bauarbeiten wurden, bis auf die Fenster, von Rochlitzer Unternehmen ausgeführt. Mit den Maurerarbeiten beauftragte man den Maurermeister Pfau, dessen damals achtjähriger Sohn Clemens der später berühmte Heimatforscher werden sollte. Ein Maurer hatte seinerzeit bei einem vierzehnstündigen Arbeitstag einen Stundenlohn von 18 bis 24 Pfennigen. Zum Vergleich: ein halbes Kilogramm Schweinefleisch kostete 60 Pfennige.

Nachdem am 18. September 1875 das Richtfest erfolgte, konnte ein Jahr später am 2. Oktober 1876 das neue Schulgebäude seiner Bestimmung übergeben werden. Schuldirektor Karl Gotthelf Dachselt vereinte nun unter seiner Leitung die 1. und 2. Bürgerschule sowie die 1874 gegründete Realschule unter einem Dach. Von 1878 bis 1892 wirkte Friedrich Wilhelm Putzger als Direktor an der Schule. Er begründete hier den noch heute bekannten und nach ihm benannten Historischen Schulatlas.

Im Jahr 1996 konnte das Gebäude auf eine 120jährige Geschichte zurückblicken. Es erlebte die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, das sogenannte "Dritte Reich", die Zeit der Militäradministration, die Deutsche Demokratische Republik und gehört seit 1990 als sächsische Grundschule und Mittelschule zur Bundesrepublik Deutschland. Jedes dieser Staatssysteme hat ihr sein entsprechendes Bildungs- und Erziehungsziel gestellt und mit dessen Ergebnissen fünfzehn Schulgenerationen ins Leben entlassen. Über den Wert desselben entschied und entscheidet die Geschichte.